Die mittelalterlichen Pfarreien waren sowohl die kleinsten kirchlichen Verwaltungseinheiten als auch die Grundeinheiten des gesellschaftlichen Lebens im Mittelalter. In der Kirchengeschichtsschreibung im Deutschordensstaat legte man bisher Nachdruck auf eine mechanische Wiedergabe des Pfarreinetzes und seine Entwicklung aus dynamischer Sicht. Soziale Aspekte der Organisation von Pfarreien sowie das religiöse Ambiente waren dagegen als marginal betrachtet bzw. – was sich vor allem auf die Dorfpfarreien bezieht – überhaupt nicht untersucht. Die bisherigen Untersuchungen zum Pfarreinetz wurden nicht selten im Rahmen von Analysen zur Entwicklung neuer Siedlungszentren im Gebiet von Preußen im 13. und 14. Jahrhundert durchgeführt. Es sind meistens Beiträge, die noch an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden und für den heutigen Gebrauch geschaffen wurden. Im Vergleich zu ähnlichen Recherchen, die sich auf das mittelalterliche Polen beziehen (zu erwähnen wären z.B. die Beiträge von Eugeniusz Wiśniowski), wurde die Frage der Pfarreien im Herrschaftsbereich des Deutschen Ordens im Baltikum höchst unbefriedigend bearbeitet. Es muss betont werden, dass in den bisherigen Bearbeitungen entweder einfache Zusammensetzungen (A. Olczyk) oder Analysen von gewählten Fragen, z.B. Patrozinien (W. Rozynkowski) die Oberhand haben. Es gibt keine Aufsätze, in denen die Pfarreien zum Gegenstand von gründlichen Untersuchungen nicht nur aus der Sicht der kirchlichen Organisation, sondern auch aus der Perspektive ihrer sozialen Funktionen wurden. Eine umfangreiche Bearbeitung vom Pfarreinetz in Form von einer Internetdatenbank gilt daher als Ergänzung der wesentlichen Lücke in den bisherigen Untersuchungen zur Kirche im Herrschaftsbereich des Deutschen Ordens. In der bisherigen Geschichtsschreibung beschäftigte man sich denn mit der Organisationsstruktur von Diözesen und Domkapiteln sowie ihren Beziehungen zur weltlichen Macht, die von den Brüdern-Rittern vertreten wurde. Zum Untersuchungsgegenstand wurden ausschließlich Stadtpfarreien, auch wenn die Untersuchungen zu dieser Frage in der Regel am Rande der umfassenden Studien zur preußischen Stadtgeschichte durchgeführt wurden.

Das Hauptziel dieses Projektes ist daher die Wiedergabe des Pfarreinetzes im Herrschaftsbereich des Deutschen Ordens in Preußen und Pommerellen in Anlehnung an einen breiten Forschungsfragebogen, der nicht nur die einzelnen Pfarreien, sondern auch eine Reihe von Fragen, die mit der niedrigen Geistlichkeit, mit den Laien und einer breit verstandenen materiellen Kultur verbunden sind, umfasst. Als Hauptfrage gelten die Ermittlung der Anzahl von Pfarreien, die Ausgestaltung der Pfarrstrukturen in den einzelnen Diözesen und dem Archidiakonat Pommerellen, die finanzielle Situation sowie die Identifizierung von Vertretern der niedrigen Geistlichkeit und der am Pfarrleben beteiligten Laien. Das Projekt zielt darauf ab, eine Internetdatenbank zu errichten, die es ermöglichen wird, verschiedene Informationen über eine bestimmte Pfarrei auf der Webseite www.parafie.umk.pl schnell zu finden. Von Vorteil ist es, dass eine auf diese Weise vorbereitete Internetdatenbank in den nächstkommenden Jahren ständig ergänzt wird. Dank der erweiterten Suche wird sie erlauben, Untersuchungen zu den mittelalterlichen Pfarreien auf verschiedenen Niveaus durchzuführen, d.i. im Besonderen:

  • die Gesamtzahl von Pfarreien in den einzelnen Diözesen zu ermitteln
  • Änderungen im Pfarreinetz in den einzelnen Diözesen zu verfolgen
  • Untersuchungen zur Pfarrgeistlichkeit, ihrer Abstammung, Ausbildung und Mobilität durchzuführen
  • dank der Datenbank von Patrozinien hagiotoponymische Untersuchungen durchzuführen
  • Untersuchungen zu Pfarrgemeinschaften durchzuführen
  • dank den Informationen über die erhalten gebliebenen Büchersammlungen Untersuchungen zur Geistigkeit durchzuführen
  • das Wissen über die Pfarreien unter die lokalen Gemeinschaften zu verbreiten
  • die Datenbank gilt auch als ein hervorragendes Werkzeug zur regionalen Bildung, die im Geschichtsschulunterricht vorhanden ist

Das Projekt sollte auch eine Gelegenheit bieten, die bisherige Geschichtsschreibung zusammenzufassen und neue Richtungen in der Forschung in diesem Bereich einzuschlagen. Diesem Zweck sollte eine internationale Tagung dienen, die im Zeitplan dieses Projektes berücksichtigt wurde und nach der ein Tagungsband veröffentlicht werden soll.